Umfassendes Verständnis von Demenz
Im öffentlichen Raum unterwegs zu sein ist für die Mobilität auch von Menschen mit Demenz zentral. Was aber brauchen Menschen mit Demenz? Und: Demenz wird medizinisch als ein Syndrom definiert das in Folge einer chronisch fortschreitenden Erkrankung des Gehirns. Im fortschreitenden Verlauf einer Demenzerkrankung kommt es zu Einschränkungen bestimmter geistiger Fähigkeiten wie Denken, Orientierung, Lernfähigkeit, Sprache, Auffassung und Urteilsvermögen (kognitive Symptome). Diese Einschränkungen beeinträchtigen auch Alltagsfertigkeiten wie Haushaltsführung, Einkaufen, Kochen, Körperpflege, Ankleiden und den damit zusammenhängenden Aktivitäten des täglichen Lebens. Das schließt auch das Unterwegs-Sein im öffentlichen Raum und mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit ein. Begleitet werden diese Beeinträchtigungen von Veränderungen der emotionalen Kontrolle und des Sozialverhaltens (nicht-kognitive Symptome). Die häufigste Demenzform ist die Alzheimer Demenz, eine degenerative Erkrankung des Gehirns. Daran leiden über 60 Prozent der Betroffenen. Die zweithäufigste Form ist die vaskuläre Demenz, die durch ein Multi-Infarkt-Geschehen im Gehirn der betroffenen Personen ausgelöst wird. Schätzungen zufolge lebten im Jahr 2014 an die 130.000 Menschen mit Demenz in Österreich. Es wird davon ausgegangen, dass sich diese Zahl bis zum Jahr 2050 aufgrund der immer älter werdenden Bevölkerung verdoppelt. Häufiger von Demenz betroffen sind Frauen (zwei Drittel der Betroffenen). Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben und das Erkrankungsrisiko im höheren Alter ansteigt (Höfler et al. 2015, Sepandj 2014).
In der klinischen Praxis wird die Einschätzung des Schweregrades einer Demenzerkrankung mittels der Mini-Mental-State Examination (MMSE) eingeteilt: „leichte Demenz“, „mittelschwere Demenz“ und „schwere Demenz“. Jeder Schweregrad umfasst bestimmte Symptome, jedoch können sich die einzelnen Stadien in ihrer Symptomatik überschneiden. „Leichte Demenz“ macht sich durch erste Schwierigkeiten in der zeitlichen und räumlichen Orientierung bemerkbar sowie durch Vergesslichkeit und zunehmende Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten. Die Fähigkeit komplexere Aufgaben (z. B. Reisen an einen neuen Ort, Finanzen, Einkaufen) zu lösen nimmt ab. Dies wird von den Betroffenen allerdings oft verleugnet. Bei „mittelschwerer Demenz“ sind die betroffenen Personen zeitlich und räumlich desorientiert und haben Probleme bei Alltagsverrichtungen wie zum Beispiel bei der Körperpflege. Das Langzeitgedächtnis ist beeinträchtigt und es können Angst, Unruhe, Apathie sowie Verhaltens“auffälligkeiten“ auftreten. Dies können zum Beispiel beleidigende Äußerungen sein, unkontrollierte Gefühlsausbrüche, ein sehr offener Umgang mit sexuellen Bedürfnissen oder aggressives Verhalten sein. Die „schwere Demenz“ äußert sich durch lückenhafte Erinnerung, Veränderung der Persönlichkeit, nahestehende Personen werden nicht mehr erkannt, das Sprechvermögen geht verloren und es kommt zu einer fortschreitenden Immobilität (Sepandj 2014, S. 4ff).
In der Validation, das ist eine Methode zur Kommunikation mit Menschen mit Demenz, wird die Demenz in vier Phasen unterteilt: „Phase I“ („Mangelhafte Orientierung“), „Phase II“ („Zeitverwirrtheit“), „Phase III („Wiederholende Bewegungen“) und „Phase IV“ („Totaler Rückzug nach innen“). „Phase I“ ist charakterisiert durch eine mangelhafte Orientierung, Unzufriedenheit und Ungeduld und beschreibt die beginnende Demenz. Die Personen merken, dass sie vergesslicher werden, verleugnen dies jedoch oft und sind nicht in der Lage über Gefühle zu sprechen. „Phase II“ ist durch eine zeitliche Verwirrtheit und Reisen in die Vergangenheit gekennzeichnet und wird auch mittlere Demenz genannt. Das Kurzzeitgedächtnis nimm immer mehr ab. „Phase III“ ist charakterisiert durch das ständige Wiederholen von Bewegungen, die teilweise die Sprache ersetzen und wird auch fortgeschrittene Demenz genannt. Die Personen sind kaum mehr in der Lage, den Zusammenhang von längeren Sätzen zu verstehen. „Phase IV“ äußert sich durch den Rückzug der Person nach innen und wird auch als schwere Demenz bezeichnet.
Im fortschreitenden Verlauf werden die Veränderungen immer deutlicher. Das nähere Umfeld bemerkt die Veränderungen wie Vergesslichkeit, Veränderung der kognitiven Fähigkeiten und im Kommunikationsverhalten sowie den Verlust der zeitlichen und räumlichen Orientierung zumeist als erstes.
Bei Menschen mit Demenz, die Schwierigkeiten haben sich räumlich und zeitlich zu orientieren und zu navigieren, kann das zu Einschränkungen und zu einem deutlichen Rückzug aus dem sozialen Leben und Umfeld führen. Hinzu kommt, dass Menschen mit Demenz zumeist hochbetagt sind und sich dadurch auch typische körperliche Veränderungen des Alters bemerkbar machen. Die körperliche und sensorische Leistungsfähigkeit nimmt ab wie zum Beispiel die Veränderung des Seh-, Hör- und Gleichgewichtssinns oder Einschränkungen des Bewegungs- und Stützapparates. Auch geht die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung zurück (Rinkenauer, 2008; Cohen, 2008).
Aufgrund der kognitiven Veränderungen kann ein ungewöhnliches Verhalten von älteren Menschen ein Hinweis auf einen Menschen mit Demenz sein. Dies kann sich im Gespräch äußern, wenn eine Person anders reagiert als möglicherweise erwartet oder überhaupt nicht auf Ansprache reagiert. Es kann der Eindruck erweckt werden, dass die Information nicht ankommt oder verstanden wird. Da Menschen mit Demenz Informationen nicht so gut verstehen oder behalten können.
Speziell im öffentlichen Raum und in öffentlichen Verkehrsmitteln sind die oben beschriebenen Fähigkeiten wichtig, um sich gut zurechtzufinden und sicher unterwegs zu sein oder es braucht Unterstützung. Denn bereits für (kognitiv) gesunde ältere Menschen kann das Zurechtfinden im öffentlichen Verkehrsnetz herausfordernd sein.