Durchführung von Testungen und Gesprächen

Das erste Treffen und das Kennenlernen sind ausschlaggebend. Nur wenn die Person mit Demenz Vertrauen zu Ihnen als Forscherin bzw. Forscher oder Technikerin bzw. Techniker aufbauen (kann), ist ein offener Austausch möglich.

  • Geben Sie den Personen mit Demenz die Möglichkeit Sie als Gesprächsperson einzuschätzen und kennen zu lernen. Steigen Sie daher mit einem kleinen Pläuschchen ein um der Person mit Demenz die Möglichkeit zu geben sich mit Ihnen als neue Kontaktperson vertraut zu machen. Reden Sie über das Wetter, das Mittagessen oder die Wohnungsausstattung und leiten Sie anschließend zu Ihrem Projekt über und erzählen Sie Ihre Beweggründe, weshalb Sie die Erfahrung und Meinung der Interviewperson benötigen. Gehen Sie gemeinsam die Punkte der Einverständniserklärung durch und erklären Sie diese.
  • Daher sollte bei jedem Treffen eine „konstante“ Forscherin oder Forscher bzw. Technikerin oder Techniker sein.
  • Beispiel aus dem Projekt Demenz in Bewegung: Auf dem Weg in eine öffentliche Parkanlage stellte die Forscherin der teilnehmenden Person Fragen über Orientierungspunkte in der Stadt und die Planung von Wegen. Die Person mit Demenz hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht genügend Vertrauen aufgebaut (siehe Prinzip „Bauen sie zu Beginn des Gesprächs Vertrauen zu den Personen mit Demenz auf.“) und zudem konnten die Fragen aufgrund der dementiellen Gedächtnislücken nicht beantwortet werden. Um weiteren Fragen auszuweichen beendete die Person gereizt und aufgebracht vorläufig das weitere Gespräch mit dem Kommentar: „Ich halte die Fragen nicht mehr aus“. Nach einem unverfänglichen Pläuschchen fasste die Person genügend Vertrauen um im Gespräch zuzugeben, dass sie Sachen nicht mehr wisse.

Während der Gespräche mit Menschen mit Demenz ist Zeit, Empathie und Geduld wichtig. Haben Sie Spaß am gemeinsamen Gespräch.

  • Schaffen Sie nach dem Kennenlernen eine angenehme und lockere Atmosphäre. Bedenken Sie auch, dass die Gespräche und Testungen nicht demotivierend verlaufen sollen.
  • Bereiten Sie daher verschiedenen Settings und Fragestellungen vor.

Befragen Sie die Menschen mit Demenz zu ihren Meinungen und Wünsche und holen Sie sich ein Feedback zu Geräte, Produkte und Technologien.

  • Sie können auch bereits am Markt befindliche Produkte einer Testung mit Personen mit Demenz unterziehen um in weiterer Folge die Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse in die weitere Entwicklung einfließen zu lassen.
  • Um Erfahrungen zu sammeln und Feedback einzuholen über Geräte, die für Menschen mit Demenz entwickelt wurden oder deren Nutzung für diese Zielgruppe vorgesehen ist, ist es wichtig den partizipativen Prozess mit Menschen mit Demenz durchzuführen. Seniorinnen und Senioren sind keine geeignete Ersatzzielgruppe, da ihnen kognitive Verknüpfungen auf einer Metaebene möglich sind.

Bieten Sie unterschiedliche partizipative Formate und Settings an, um Menschen mit Demenz mit ihren verschiedenen Wahrnehmungsebenen abzuholen.

  • Jede Situation und jede Studie wird anders verlaufen und einzigartig sein. Gehen Sie spontan auf die jeweiligen Situationen ein.
  • Haben Sie auch verschiedene Testungen mit die spielerisch und analog auszuführen sind. Die Formate und Settings sollen die Teilnehmenden auf keinen Fall überfordern oder das Gefühl vermitteln getestet zu werden oder keine Übung befriedigend abschließen zu können. Diese Gefühle demotivieren und führen dazu, dass die Personen bald die Studien abbrechen werden. Überlegen Sie im Vorfeld wie Sie Ihre Forschungsfrage auch in anderen Formaten verpacken können.
  • Drängen Sie niemals die Personen zu Testungen, sondern respektieren Sie die Entscheidung, wie dies in der Einverständniserklärung geregelt ist.
  • Menschen mit Demenz benötigen zum einen Personen, denen sie vertrauen um sich auf die Studien einzulassen und andererseits, sofern die Testungen im öffentlichen Raum durchgeführt werden, die Sicherheit entweder durch die Begleitperson wieder zurück geführt zu werden oder eigenständig den Weg finden zu können. Daher sind Forschungssetting in denen alle Personen den gleichen Weg zurücklegen, also in Umgebungen, in denen die Personen sonst nicht unterwegs sind, für Menschen mit Demenz nicht durchführbar und setzten diese in Stresssituationen aus.
  • Beispiel aus dem Projekt Demenz in Bewegung: Die Testung mit dem Tablet wurde abgelehnt, auf dem ein Routenplanungsprogramm ausprobiert werden hätte sollen. Daher wurden analoge Karten mitgebracht und der Frage nachgegangen, woran sich die Personen auf den Karten orientieren und wie Wege zu unbekannten Orten geplant werden.

Versuchen Sie die Motivation der Nutzung der Geräte, Produkte und Technologien herauszufinden.

  • Menschen mit Demenz lassen die Geräte, Produkte und Technologien, die sie ihrer Meinung nach nicht brauchen, oft zu Hause liegen. Je besser die Geräte, Produkte und Technologien auf die Bedürfnisse der Personen abgestimmt sind, desto besser werden diese angenommen und mitgenommen. Auch das Design kann eine Rollte spielen, wenn die Benutzerinnen und Benutzer zu gewissen Gruppen dazugehören möchten.

Erheben Sie, die wichtigsten Einstellungen und Funktionen für Menschen mit Demenz und welche Funktionen eher weggelassen werden können.

  • Besonders bei langen Arbeits- und Entwicklungsprozessen und dem Einbinden von neuen Technologien und Innovationen gehen Technikerinnen und Techniker, bzw. Forscherinnen und Forscher subjektiv stark von ihrer eigenen Lebensrealität und den eigenen Erfahrungen und Vorstellungen aus. Dabei werden scheinbar einfache Menüstrukturen und Abläufe für die Zielgruppe undurchsichtig und verwirrend. Mit regelmäßigen kurzen Gesprächen und Testungen mit der Zielgruppe über den gesamten Prozess hinweg kann das Feedback der Gruppe gleich direkt in die Weiterarbeit integriert und eingearbeitet werden.
  • Vor allem für die Zielgruppe Menschen mit Demenz sind komplizierte und tiefe Menüstrukturen verwirrend und anstrengend diese zu bedienen. Zudem haben die Personen sehr konkrete Vorstellungen welche Funktionen im Alltag gebraucht werden und welche nicht.

Üben Sie keinen Druck auf die Personen mit Demenz in der Testung oder beim Gespräch aus.

  • Menschen mit Demenz sind sich ihrer Vergesslichkeit in der ersten Phase/Stufe bewusst. Sie eignen sich Strategien an, um von dieser abzulenken und sich kompetent zu präsentieren. Daher versuchen sie auch kognitiven Wissensabfragen zu vermeiden. Üben Sie daher keinen Druck auf die Personen aus, die auf gewisse Fragen keine Antwort geben wollen oder ausweichen. Seien Sie daher spielerisch, methodisch offen und authentisch. Formulieren Sie die Fragen um, wenn die Situation passt, bohren Sie keinesfalls hartnäckig nach. Die Personen werden die weitere Zusammenarbeit verweigern und in einigen Fällen auch wütendes oder aggressives Verhalten zeigen.
  • Bei ausgeübten Druck während einer Testung verschließen sich Menschen mit Demenz und werden die weitere Zusammenarbeit verweigern. Ein spielerisch, auffordernder und lockerer Umgang ist wichtig, um eine angenehme Gesprächs- und Testungsatmosphäre zu schaffen.
  • Beispiel aus dem Projekt Demenz in Bewegung: Eine Person wurde gebeten ein technisches Produkt über eine Woche lang zu Hause zu testen und die Rückmeldungen niederzuschreiben. Auf mehrmaliges Nachfragen der Ehepartnerin, des Ehepartners verweigerte die Person das Testen.

Erwarten Sie keine ausführlichen Erklärungen, sondern fragen Sie geduldig öfters nach. Vermeiden Sie Warum- und Wieso-Fragen.

  • Menschen mit Demenz antworten auf Fragen meist knapp und prägnant. Daher braucht es verschieden formulierte Fragen um die gewünschten Antworten zu erhalten.
  • Vermeiden Sie auf jeden Fall Warum- und Wieso-Fragen, da sie nur auf einer kognitiven Metaebene zu beantworten sind.

Nehmen Sie den Menschen mit Demenz (bzw. deren ev. nicht-technikaffinen Bezugspersonen) die Angst, dass die Produkte schnell/leicht kaputt zu machen sind.

  • Es gibt eine Vielzahl an Ängsten weshalb Personen mit Demenz technische Geräte ablehnen. Fragen Sie im Gespräch nach den Gründen.
  • Abhängig von den Alltagserfahrungen und der beruflichen Tätigkeit sowie dem Vertrauen zur Forschungsperson lassen sich Personen mit Demenz je nach Tagesverfassung auf unterschiedliche Forschungsfragen und -settings ein. Oft stimmen die Personen nach zwei spielerischen, spaßvollen und erfolgreich durchgeführten Testdurchgängen zu neuen und unbekannten Testungen zu.
  • Beispiel aus dem Projekt Demenz in Bewegung: Ein im Projekt genannter Grund war die Sorge die technischen Geräte kaputt zu machen oder Mehrkosten auf der Telefonrechnung zu verursachen. Versichern Sie den Teilnehmenden, dass die Geräte robust und stabil gebaut wurden, diese nicht so schnell kaputt gemacht werden können und keine Mehrkosten auf die Teilnehmenden zukommen.

Fragen Sie die Zu- und Angehörigen sowie das Pflegepersonal, um ihre Praxiserfahrungen mit vorhandenen Produkten zu erfahren und die Ideen und Wünsche in die Weiterentwicklungen miteinzubeziehen.

  • Zumeist werden technische Produkte von den Zu- und Angehörigen oder der Pflegeeinrichtung ausgesucht. Die Installation erfolgt dann über die Zu- und Angehörigen oder das Pflegepersonal, die die ersten Einstellungen treffen. Daher ist es wichtig die ersten Einstellungen so einfach wie möglich zu gestalten. Besonders das Pflegepersonal muss mehrere Geräte gleichzeitig in kurzer Zeit betreuen und warten können.
  • Bei Fragen und Problemen sind die Zu- und Angehörigen sowie das Pflegepersonal die ersten Ansprechpersonen für Person mit Demenz. Eine einfache Handhabung und klare Menüstrukturen beugen Unklarheiten vor.

Legen Sie einen besonderen Schwerpunkt auf das Testen von Menüführung und Navigation. Viele Personen haben Probleme mit „tiefen“ Menü- und Navigationsstrukturen. Erfragen Sie auch im Rahmen der partizipativen Prozesse mit Menschen mit Demenz, was die einzelnen verwendeten Symbole im Menü bedeuten.

  • Eine einfache Menüstruktur ermöglicht es Menschen mit Demenz sich eigenständig mit dem Gerät, Produkt oder der Technologie zurecht zu finden. Tiefe und komplizierte Menüstrukturen bergen die Gefahr sich darin zu verlieren und gesuchte Funktionen nicht mehr finden zu können.
  • Wichtige Erkenntnisse können bei Studien mit den Symbolen gewonnen werden, in denen die Personen mit Demenz gefragt werden was diese Symbole zu bedeuten haben.
  • Beispiel aus dem Projekt Demenz in Bewegung: Im Telefonbuch gab es zwei Symbole, eine rote Form mit einem Pfeil (zurück zum Hauptmenü) und eine grüne Form mit einem Hörer (Anrufen). Für die Teilnehmenden waren die Symbole nicht eindeutig lesbar.

Erwarten Sie nicht das „perfekte“ Ergebnis. Jede Studie und jedes Ergebnis sind einzigartig.

  • Beispiel aus dem Projekt Demenz in Bewegung: In einigen Fällen dachten die Personen, dass die Testungen sie zum Kauf animieren sollen. Stellen Sie von Anfang an klar, dass die Testungen dazu dienen die Funktionen und Bedienbarkeit der Geräte zu verbessern und weder Kosten noch ein Kaufvertrag mit der Testung einhergeht.